jedermann (stirbt)
von FERDInand Schmalz
nominiert für den Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarktes 2020
aufgezeichnet durch den ORF im März 2021
Der erfolgreiche Börsenspekulant Jedermann gibt in seinem Garten ein Fest. Angesichts der Erfolge, die er zu feiern hat, stört ihn wenig, dass draußen ein Krieg ausgerufen und mit Toten gerechnet wird – sein Besitz ist von einer hohen Mauer umgeben. Die gute Gesellschaft ist eingeladen, ebenso die Verwandtschaft, uneingeladen stoßen u. a. der „arme nachbar gott“ und die „buhlschaft tod“ dazu. Doch bald ringt Jedermann mit dem Sterben – und mit der Frage, was von einem Leben übrig bleibt, das ganz auf das Hier und Jetzt ausgerichtet ist.
Das mittelalterliche Gleichnis vom Menschen, der vom Tod geholt wird und vor Gott Rechenschaft über sein irdisches Leben ablegen muss, ist hierzulande vor allem durch Hugo von Hofmannsthal bekannt, dessen „Jedermann“ aus dem Jahre 1911 jeden Sommer vor dem Salzburger Dom mit Staraufgebot zum Besten gegeben wird.
Die neueste Version des Stoffes stammt von Ferdinand Schmalz, der 2018 dafür den Nestroy-Theaterpreis als bester Autor erhielt. Er verwandelt den alten Topos von Leben, Sterben und Sexualität des Menschen in ein zeitgenössisches Gaukler-Party-Spiel über die Gier der Finanzmacht, der die Angst vor dem Nichts und die unangenehmen Fragen nach der eigenen Verantwortung in einer sich mit immer höheren Zäunen schützenden Ersten Welt im Nacken sitzt. Denn wie sehr kann man verdrängen, welchen Anteil man auf der Haben-Seite des Lebens an der Vernichtung der Um- und Mitwelt hat und wie sehr man um der eigenen Bequemlichkeit willen die Zukunft der Nachgeborenen verspielt?
Mit dem Steirer Ferdinand Schmalz, einer der erfolgreichsten österreichischen Autoren, verbindet das Schauspielhaus Graz seit vier Spielzeiten eine intensive Arbeitsbeziehung. Mit „jedermann (stirbt)“ deutet er die alte Geschichte sprachlich hochkonzentriert, ästhetisch inspirierend und formal herausfordernd neu. Und er legt den Finger auf eine Wunde der Gegenwart. Denn auch wenn die Hälfte aller nach 2010 geborenen Kinder heute gute Chancen hat, älter als 100 Jahre zu werden: Der Tod ist unbesiegbar. Es inszeniert Daniel Foerster, der in der vergangenen Spielzeit mit Ayn Rands „The Fountainhead (Die Spitze der Fontäne)“ die Saison eröffnete.
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REGIE
Daniel Foerster
BÜHNE UND KOSTÜME
Mariam Haas
Lydia Huller
MUSIK
Jan Preißler
DRAMATURGIE
Jan Stephan Schmieding
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ARMER NACHBAR GOTT / GUTE GESELLSCHAFT
Henriette Blumenau
DICKER VETTER / GUTE GESELLSCHAFT
Fredrik Jan Hofmann
WERKE, MAMMON / GUTE GESELLSCHAFT
Katrija Lehmann
MUTTER / DÜNNER VETTER / GUTE GESELLSCHAFT
Nico Link
JEDERMANN / GUTE GESELLSCHAFT
Raphael Muff
JEDERMANNS FRAU / GUTE GESELLSCHAFT
Evamaria Salcher
BUHLSCHAFT TOD / GUTE GESELLSCHAFT
Lukas Walcher
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Pressestimmen
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Beitrag Radio Soundportal Graz
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„Dieser ‚Jedermann‘ schillert sehr gegenwärtig. […] Mit grandiosem Wortwitz hat Schmalz den ‚Jedermann‘ vom Mief der katholischen Moral befreit und ihn mit großer gesellschaftspolitischer Brisanz neu geladen. […] Daniel Foerster geht in seiner Inszenierung noch einen Schritt weiter und hebt für diese Mischwesen auch die Geschlechtergrenzen auf. […] Tolles Ensemble – Raphael Muff ist über weite Strecken ein entspannt-überheblicher Jedermann, der sich weder von den Predigen des ‚Armen Nachbarn Gott‘ (Henriette Blumenau) noch von seiner Frau (Evamaria Salcher) aus dem Konzept bringen lässt. Im Vergleich zu seinen nervösen Vettern (großartig: Nico Link und Jan Frederik Hofmann) weiß er auch, dass er nicht um finanziellen Nachschub zittern muss. Erst als ihm die ‚Buhlschaft Tod‘ (wunderbar abgebrüht: Lukas Walcher) immer näher rückt, wird sich Muffs Jedermann doch noch seiner moralischen Leere gewahr – zumindest in Ansätzen.“ (www.krone.at, Christoph Hartner, 16.11.2019)
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„Daniel Foerster kleidet den Totentanz um den eiskalten Superdealer Jedermann (Raphael Muff) in knallbunte Szenen, in denen die Schauspieler gern zum Mikro greifen und Gruselsongs im Stil alpiner Schlager anstimmen. Da, wo die Buhlschaft killt, werden die Schmalz’schen Sprachpointen sparsam gesetzt, stattdessen baut die Inszenierung auf Burleske – mit heftig akklamierten Gustostückerln von Fredrik Jan Hofmann und Nico Link als Vettern, Katrija Lehmann als Mammon und Charity. Lustig!“ (Kleine Zeitung / www.kleinezeitung.at, Ute Baumhackl, 16.11.2019)
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„Die musicalhafte Dramaturgie wird geschickt bedient von Jan Preißler und Jan Stephan Schmieding, die Tuntenball-tauglichen Kostüme von Mariam Haas sind einfallsreich und auf eine paradoxe Weise elegant und exaltiert zugleich. Die Schauspielerleistungen sind makellos, Raphael Muff gibt in der Titelrolle einen überzeugenden und überzeugten Mistkerl ab, Lukas Walcher einen verführerisch-unheimlichen Buhlschaft-Tod. Im fein auschoreografierten Einklang mit den beiden agieren Henriette Blumenau, Fredrik Jan Hofmann, Katrija Lehmann, Nico Link und Evamaria Salcher. Die Regie von Foerster ist durchwegs einfallsreich, er nützt die von Schmalz im Text verwendete Reimform zu ihrem eigenen Vorteil so aus, dass sie in keinem Augenblick antiquiert wirkt. Daneben gibt es viele köstliche Details und Einlagen – auch solche mit Publikumseinbindung. […] eine gelungene und vollständige Entrümpelung, die vom Premierenpublikum ausgiebig gewürdigt wurde.“ (APA, Andreas Stangl, 25.11.2019)
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„Raphael Muff verkörpert Jedermann so, wie ihn sich Salzburg wünschen sollte: Die zunehmende Angst und Verzweiflung im Angesicht des Todes zeichnet sich in seiner Mimik und Gestik so perfekt ab, dass man mit dem skrupellosen Geschäftsmann fast noch Mitleid bekommt. Auch das übrige Ensemble überzeugt mit starker Leistung. […] Mit ‚jedermann (stirbt)‘ ist es Ferdinand Schmalz und dem Schauspielhaus Graz gelungen, einen Abend zu schaffen, der zwischen bitteren Lachern und Absurditäten, der Gier und Oberflächlichkeit der Menschheit einen Spiegel vorhält. Selten hat es so viel Spaß gemacht Jedermann beim Sterben zuzusehen.“ (kultrefgraz.wordpress.com, Teresa Guggenberger, 17.11.2019)
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